Samstag, 12. Januar 2008

Diagnostik: Problemlöseverhalten (=> Kopfnoten)

Die Universität Heidelberg entwickelt einen speziellen Test zur Diagnostik des Problemlöseverhaltens

Im folgenden Film sehen Sie einen Ausschnitt aus einem Testentwicklungsprogramm der Universität Heidelberg für die Pisa-Studie 2009. Problemlöseverhalten beschreibt zusammengesetzte Fähigkeiten, welche benötigt werden, um Probleme zu lösen. Dieses Video verdeutlicht, wie schwierig es ist, komplexe Verhaltensweisen zu analysieren. Erst wenn bekannt ist, wie sich ein Problemlöseverhalten zusammen setzt, kann man an die Entwicklung entsprechender Tests gehen, um dann die Problemlösefähigkeiten zu messen. Es fällt auf, dass hierfür technische Hilfsmittel (IT-Technik) sowohl für die Erfassung der Teilfähigkeiten, als auch später für die Erfassung der Gesamtkompetenz zur Verfügung stehen müssen.



Auch das Arbeits- und Sozialverhalten sind Kompetenzbereiche, welche sich aus vielen Einzelfähigkeiten zusammensetzen. Diese Einzelfähigkeiten müssen analysiert, im Einzelnen bezeichnet und dann für jeden Schüler einzeln erfasst werden. Das Beispiel zur Messung des Problemlöseverhaltens zeigt sehr anschaulich, wie aufwendig ein solcher Prozeß ist. In Heidelberg sind mehrere Forscher an diesem Projekt beteiligt. Sie sind Fachleute und spezialisiert auf Testentwicklungen. Für PISA betreibt man aufwendige Studien. Wenn es um das Schicksal unserer Schüler in Deutschland geht, d.h. wenn es nicht um die Frage der politischen Außenwirkung geht, dann reichen ein paar abstrakte und oberflächliche Handreichungen des Schulministeriums? Diese Handreichungen bieten allerdings keine konkrete Hilfe, denn sie enthalten implizit mehr Fragen als Antworten.


Donnerstag, 10. Januar 2008

Das "Kopfnoten-Dilemma" - Teil 2

Nun habe ich Ihnen berichtet, wie in "Utopia" Kopfnoten objektiv zustande kommen könnten!

Aber: Wir leben nicht in Utopia und die Lehrkräfte, welche Kopfnoten geben sollen, auch nicht. Ist es dennoch möglich, objektive Kopfnoten für das anstehende Zeugnis zu verfassen?

Nein, selbst wenn Sie eine Lehrkraft wären welche das notwendige Hintergrundwissen hätte. Schauen wir uns noch einmal die Bedingungen für eine objektive Kopfnotengebung an, wie sie auf Prof. Stangl's Seiten beschrieben werden:

hier

und das FAZIT dort:

Die hohen Erfordernisse an eine objektive und valide Verhaltensbeurteilung können nur durch eine fundierte Aus-, Fort- und Weiterbildung der Lehrkräfte erfüllt werden.

Kopfnoten sind eine populäre Maßnahme. Zunächst bedarf es einer Bewertung, ob die Maßnahme effektiv ist und ob die erhofften Erwartungen in einem angemessen Verhältnis zu den Risiken stehen.

Ich kenne den Schulalltag aus eigener Erfahrung und weiß, dass bereits die "normale" Zensurengebung eine große Herausforderung mit vielen Fragwürdigkeiten ist. Betrachtet man die Kriterien für eine objektive Beurteilung wird schnell klar, dass damit ein immenser Zeitaufwand verbunden ist. Die Studien zur Lehrerarbeitszeit belegen allesamt deutlich, dass bereits vor etlichen Jahren der größte Teil der Lehrkräfte mehr als eine 40-Stunden-Woche zu bewältigen hatte. Zwischenzeitlich wurde die wöchentliche Unterrichtszeit erhöht, so dass sich diese Werte noch einmal nach oben verschoben haben:

Zusammenschau der Anforderungen + neue Aufgaben der vergangenen Jahre:

1. Unterricht vorbereiten
2. unterrichten, beobachten, mündliche und schriftliche Leistungen zensieren
3. Dokumentation der Beobachtungen und Leistungen
4. Vorbereitung und Korrektur der Klassenarbeiten
5. Elternabende / Elternsprechtage
6. Lehrer- / Schulkonferenzen
7. Umgang mit Problemschülern / Zwischenfällen
8. Statistiken, Zeugnisse, Zeugniskonferenzen
9. Klassenführung, Fehlzeitenerfassung

Neue Aufgaben:
1. Evaluationen - Qualitätssicherungsaufgaben
2. Stufenkonferenzen
3. Fachkonferenzen
4. "Schulmarketing", d.h. Aufgaben um die Schule nach außen zu präsentieren
5. Tests des Schulministeriums zur Messung des Leistungsstandes
6. Organisation der Fortbildungen
7. "Profilprogramme"
8. Schulfeste am Wochenende
9. "Öffentlichkeitsarbeit" = Imagepflege der Schule
10 Kopfnotengebung
etc. etc.
[bestimmt fehlt hier einiges - daher freue ich mich über (Ergänzungs-)kommentare]


All das sind "Zeitfresser", welche neben dem regulären Unterricht absolviert werden müssen. Was die Schulgesetzgeber nicht berücksichtigt haben, ist der immense Zeitaufwand, welcher für eine "objektivierte" Kopfnotengebung erforderlich wäre.

Auch Lehrkräfte haben nur einen 24 Stunden-Tag, so dass - angesichts der Ergebnisse aus den bereits überholten Arbeitszeitstudien (hier) klar sein müsste, dass für eine objektive Kopfnotengebung keine Zeit vorhanden ist.

FAZIT:
Als Lehrkraft haben Sie zwei Möglichkeiten:
1. Sie erfüllen ihre gesetzliche Pflicht und "schätzen" das "Arbeits- und Sozialverhalten".
2. Sie beantragen eine Kürzung ihrer Arbeitszeit, damit sie ausreichend Zeit haben ihre ca. 200-300 Beobachtungsstudien (=je Schüler) bezüglich des Arbeits- und Sozialverhaltens durchführen zu können.

Elternvertretungen kann man raten, mit den Gesetzgebern das Gespräch zu suchen, um die Frage der Objektivität zu klären.

Anbei zur "Kopfnotenfrage" etliche "Kopfnotendiskussionen"
http://www.focus.de/schule/schule/bildungspolitik/tid-6709/verhaltensnoten-im-zeugnis_aid_64970.htm
http://www.focus.de/politik/deutschland/bildung_aid_178522.html
http://www.rp-online.de/public/article/regional/bergischesland/remscheid/nachrichten/remscheid/519411
http://www.rp-online.de/public/article/aktuelles/politik/deutschland/511367
http://www.rp-online.de/public/article/regional/niederrheinsued/moenchengladbach/nachrichten/498219
http://www.rp-online.de/public/article/regional/bergischesland/solingen/nachrichten/solingen/466207
http://www.wdr.de/themen/kultur/bildung_und_erziehung/brennpunkt_schule/_politik/schulgesetz_novelle/kopfnoten.jhtml
http://jetzt.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/403916

Mittwoch, 9. Januar 2008

Das "Kopfnoten-Dilemma" in NRW (Teil 1)

Zitat aus der Webseite des Schulministeriums:
Das neue Schulgesetz
Jetzt ist es da - das neue Schulgesetz. Vieles wird sich für Dich verändern, doch zwei Dinge sind besonders wichtig: Unterricht soll Spaß machen!
Kopfnoten- wenn mehr als Leistung zählt.
[...]
Gute Noten im Zeugnis sind natürlich sehr gut. Doch heute zählt mehr: soziale Kompetenz zum Beispiel. Also Engagement, Einfühlungsvermögen oder Hilfsbereitschaft. Eben Werte, die den Lebensweg entscheidend bestimmen. Darum gibt es nun auf dem Zeugnis auch "Kopfnoten" und ein Bemerkungsfeld, das besondere schulische oder außerschulische Leistungen, wie z.B. ehrenamtliche Tätigkeiten, würdigt.
"Der Kopfnotenparagraf § 49


Ab dem dritten Schuljahr bekommen Schüler eine Note für das Arbeitsverhalten und eine Note für das Sozialverhalten

Auf der Webseite des Kölner Verbandes für Bildung und Erziehung (VBE) - Suchwort "Kopfnoten" ist zu lesen:
Zurzeit wird in den Schulen viel über dieses Thema diskutiert, weil das Schulhalbjahr sich dem Ende zuneigt und Lehrerinnen und Lehrer zum ersten Mal an den Handreichungen orientierte Kopfnoten vergeben müssen. Viele Lehrerinnen und Lehrer halten es für schwierig bis unmöglich, das Arbeits- und Sozialverhalten von Kindern und Jugendlichen in Notenform zu beurteilen.


Laut Handreichung des Schulministeriums zur Umsetzung der "Kopfnotenzensurgebung" werden die einzelnen Teilkategorien mit den Notenstufen:

  • sehr gut (= entspricht den Anforderungen in besonderem Maße)
  • gut (= entspricht den Anforderungen in vollem Maße)
  • befriedigend (= entspricht den Anforderungen im Allgemeinen)
  • unbefriedigend (= entspricht den Anforderungen noch nicht)
bewertet.

Das klingt ja nun alles ganz nett. Aber, wie genau bewertet man "Arbeits-" und "Sozialverhalten" ?

Diese Frage stellen sich in diesen Tagen Lehrer, Schulleiter, Zeugniskonferenzen, Schüler und Eltern. Alle sind sie ratlos. Weiß doch das Schulministerium selbst nicht so genau, wie man diese "Leistungen" gerecht bewerten kann.

Gerade Schüler sind zu Recht sehr kritisch und möchten wissen, auf welche Art und Weise ihre Lehrer die Zensuren bilden. Aber nicht nur die Schüler sind kritisch, sondern auch ihre Lehrer. Gerade in den vergangenen Tagen wird fleißig diskutiert, die Lehrerschaft ist gefrustet und fragt sich:

Was entspricht den Anforderungen ? Wo liegen die Unterschiede zwischen
  • a) in besonderem Maße
  • b) in vollem Maße
  • c) im Allgemeinen
  • d) entspricht den Anforderungen noch nicht
Liebe Eltern, liebe LehrerInnen, liebe Schüler und liebe Leser. Auch wenn ich fachlich auf die Bereiche "Diagnostik" spezialisiert bin, so kann ich diese Frage nicht zufrieden stellend beantworten. Dazu müsste das Schulministerium erst genau definieren, was es unter Arbeits- und Sozialverhalten versteht und was die oben beschriebenen (in besonderem Maße, im Allgemeinen, entspricht Anforderungen etc.) abstrakten Begriffe genau bedeuten sollen.

Das Kopfnoten-Dilemma:
Das Kopfnoten-Dilemma beginnt damit, dass eine Lehrkraft juristisch gesehen eine sogenannte "Begründungspflicht" für ihre Bewertung hat, d.h. der Prüfling (Schüler) bzw. seine gesetzlichen Vertreter haben einen Anspruch auf Begründung einer Prüfungsleistung.


Diese "Begründungspflicht" enthält folgende "Bausteine":
  1. Die Lehrkraft muss eine "Relation" zwischen Zensur und Arbeits-bzw. Sozialverhalten herstellen können.
  2. Die Lehrkraft hat dabei einen "Bewertungsspielraum". Ob dieser überschritten wird, lässt sich an der Begründung der Zensur ablesen.
  3. Die Begründung für die erteilte Zensur muss anhand der wesentlichen Gedankengänge der Lehrkraft schlüssig nachzuvollziehen sein.
  4. Fehler beim Bewertungsvorgang führen regelmässig zur Rechtswidrigkeit der Bewertung.
All diese Kriterien sind noch ziemlich undifferenziert. Die Rechtsprechung hat zur Begründungspflicht einige Kriterien ausgearbeitet, welche berücksichtigt werden sollten:
  1. keine pauschale Begründung und Beurteilung
  2. keine willkürliche Entscheidung
  3. keine sachfremden Erwägungen
Nun das wären die Pflichten von Lehrkräften, welche bei der Zensurengebung zu berücksichtigen wären. Und Sie fragen sich nun, wie Sie diese Kriterien anhand der Vorgaben umsetzen könnten?

Utopia: Verhaltensbewertung der Schüler anhand diagnostischer Kriterien, welche dann der gesetzlich vorgegebenen "Begründungspflicht" genügen würden:

Arbeitsverhalten und Sozialverhalten werden durch das Handeln eines Schülers "sichtbar". Diese Handlungen müssen (genau) beobachtet werden.

Es wird unterscheiden zwischen „naiver“ (=vorwissenschaftlicher) und „systematischer“ (= wissenschaftlich fundierter) Beobachtung. . Die pädagogische Diagnostik verwendet systematisierte, d.h. mit Kategoriensystemen gesteuerte Beobachtungen als Beurteilungsbasis.

Da jede Beobachtung den gleichen individuellen Mechanismen unterliegt wie jeder andere Wahrnehmungsprozess, ist sie grundsätzlich auch den gleichen Einschränkungen, Verzerrungen und Fehlern wie jeder andere Vorgang der Wahrnehmung ausgesetzt.

Jeder Beobachter begegnet dem Beobachtungsobjekt bzw. –situation mit ganz bestimmten persönlichkeitsspezifischen Erwartungshaltungen, Interessen, Stimmungen, Kategorien, Vor-Urteilen etc.

Beobachtung bedeutet Selektion, d.h. die Beobachtung reduziert das Geschehene auf begrenzte Verhaltensaspekte. (Atteslander (1975, S. 138): „Wir glauben nur das, was wir sehen – leider sehen wir nur, was wir glauben wollen.“)

Wissenschaftlich fundiertes Beobachten findet dann statt, wenn nach allgemein definierten Kriterien strukturiert beobachtet und ebenso systematisch aufgezeichnet wird, d.h.

  1. Es muss bestimmt werden, welches Verhalten bzw. Verhaltensmerkmale zu beobachten sind.
  2. Es muss festgelegt werden, worauf bei den ausgewählten Verhaltensausschnitten zu achten ist und wann beobachtet werden soll.
  3. Die Beobachtungen müssen vollständig aufgezeichnet werden.
  4. Aus den Beobachtungen müssen kriteriengeleitet Rückschlüsse gezogen werden.
  5. Ähnliches Verhalten kann auf unterschiedlichen Ursachen basieren. Um Fehlinterpretationen zu vermeiden, sollte mit dem jeweiligen Schüler ein Gespräch geführt werden, um die Beweggründe seines Handelns zu erfahren.

Alle Aktivitäten das Arbeits- und Sozialverhalten betreffend, werden im Konsensverfahren aller Lehrkräfte definiert und gewichtet. Die Gewichtung erfolgt über ein Punktesystem. Damit können alle relevanten erwarteten Aktivitäten erfasst und gewichtet werden. Anschließend werden Prozentränge zum gewollten Ziel (in besonderem Maße, in vollem Maße etc.) hergestellt. In einem weiteren Schritt wird beschlossen, mit welchem Prozentrang eine ausreichende Leistung erreicht worden ist. In einem weiteren Schritt werden die verbleibenden Prozentränge auf die restlichen Notenstufen verteilt.

Ende des Utopia-Ausfluges..........

Samstag, 5. Januar 2008

Studie belegt:: Schulform und Schulerfolg hängen nicht zusammen

Die Studie von Prof. Dr. Fend belegt, dass der Schulerfolg von der Schulform völlig unabhängig ist.

Die bildungspolitische Debatte der vergangenen Jahre forderte immer wieder die Einrichhtung einer einzigen Schulform, nämlich der Gesamtschule, um benachteiligten Gruppen eine angeblich bessere Bildung zu ermöglichen. Festgemacht wurde diese Forderung an den praktizierten "Gesamtschulformen" einiger PISA-Siegerländer. Dass diese Erklärung eher ideologischer Natur war und mit den tatsächlichen Ursachen des Bildungserfolges der PISA-Siegerländer in keinerlei Zusammenhang stand hat Prof. Dr. Fend nun zu seiner eigenen Überraschung feststellen müssen:

Die Zeit berichtet ausführlich: hier

Weitere interessante Informationen zur Frage des Schulerfolges:
hier und hier