Sonntag, 9. November 2008

Gesetzliche Aufgaben der Sozialpädagogischen Familienhilfe

Welche Aufgaben die Sozialpädagogische Familienhilfe (SPFH) umfasst, scheint - angesichts der vielfältigen Erscheinungsweisen im Alltag - offenbar nicht immer klar zu sein. Deshalb gebe ich an dieser Stelle einen Überblick in kurzer, stichwortartiger Form zu den gesetzlichen Handlungsgrundlagen der SPFH:

1. Die Tätigkeit der sozialpädagogischen Familienhilfe umfasst:

- pädagogische und alltagspraktische Hilfen

- Notwendige Voraussetzung – Bereitschaft der Familie zur Mitarbeit und besondere Beziehung Familienhelfer/in und Familie

2. Zielsetzung der Familienhilfe:

Durch die Betreuung und Begleitung der Familienhilfe soll die Familie die Fähigkeit zur Problemlösung und Alltagsbewältigung gewinnen oder wiedergewinnen.

3. Aspekte der Familienhilfe:

- Erzieherische Situation

- Beziehung Eltern – Kinder

- Beziehung zwischen Elternteilen

- Materielle Situation der Familie (auch Wohnsituation)

- Verhältnis von Familie und sozialem Umfeld

4. Familienhilfe ist kein therapeutisches Angebot!

SPFH ist kein therapeutisches Angebot, sondern ein Angebot der konkreten, praktischen Lebenshilfe (Münder, 2006, Frankfurter Kommentar KJHG, Seite 426, Rdnr. 5)

Es ist eine bestimmte Einzelperson für die Betreuung der Familie zuständig

Familienhilfe versucht die Isolation der Familien aufzubrechen.

Zu den teilweise „therapeutischen Arbeitsansätzen“ in den SPFH kommentiert Münder (Münder, 2006, Frankfurter Kommentar KJHG, Seite 427, Rdnr. 7)

„Hierbei ist zu beachten, dass die sozialpädagogische Arbeit in den Familien nicht den Standards und Rahmenbedingungen therapeutischer Intervention entspricht.“

5. Kritische Aspekte der Familienhilfe

Unter 3. „Kritische Aspekte“ ((Münder, 2006, Frankfurter Kommentar KJHG, Seite 427, Rdnr. 6) werden Überlegungen zu entstehenden Problematiken bei der Einrichtung von SPFH diskutiert, denn die Einrichtung einer SPFH bedeutet.

a) einen starken Einbruch in den familiären Intimbereich

b) die SPFH kommt oft unter Druck von außen zustande

c) SPFH arbeitet in einem emotionalen Spannungsfeld. Es müssen Parteilichkeiten, Ambivalenzen und Ablehnungen bewältigt werden

d) die SPFH kann das eigene Problemlösungspotential weiter schwächen

6. Merkmale des Handelns durch die SPFH:

- beratende Gespräche

- modellhaftes Handeln

- praktische Hilfe

7. Aufgaben der SPFH (siehe Münder 2006, Frankfurter Kommentar KJHG, Seite 427, Rdnr.8,9)

- Erziehungsberatung

- Partnerberatung

- Einzelberatung

- Hausaufgabenbetreuung

- Anleitung bei der Arbeit im Haushalt

- Unterstützung bei der materiellen Lebenssicherung

- Unternehmungen (Aktivitäten) mit Eltern und Kindern

- Inanspruchnahme ergänzernder Institutionen (Tagesbetreuung, Schuldnerhilfe etc.)

8. Für die generelle Zielsetzung der Familienhilfe gilt gem. § 31 KJHG:

„Im Verhältnis zum Fremdunterbringungsbereich wird verstärkt eine präventive Orientierung angestrebt, d.h. ein Beginn von Familienhilfe schon dann, wenn Problemlagen noch nicht so verfestigt sind und an Veränderungsmotivationen und Veränderungschancen bei den Familien angesetzt werden kann.“ (Münder, 2006, Frankfurter Kommentar KJHG, Seite 429, Rdnr. 16)

Dienstag, 21. Oktober 2008

Turbo-Abi, Turbo-Studium und Turbo-Kosten..

Bildquelle Pixelio: (c) Adel
Es sollte alles besser werden:
Ein gutes Abitur in kürzerer Zeit, neue Schulbücher und von überflüssigem Ballast befreites "Abiturwissen".
Auch das Studium sollte in kürzerer Zeit und dank Verschulung (=> Bologna-Prozess) effizienter, gründlicher, organisierter etc. etc.werden. Studiengebühren sollten Geld in die Universitäts- und Fachhochschulkassen schwemmen, um die Seminare kleiner werden zu lassen, neues Lehrpersonal einzustellen und die Studenten-Professoren-Lehrenden-Relationen zu verbessern.......

Heute beschreibt Elmar Kramer in der "Neue Westfälische-Zeitung" unter "Lokales Bielefeld": Sorgen der Turbo Studenten - Der Bachelor und seine Folgen: Eine Leidensgeschichte (BIELEFELD: Die Sorgen der Sprint-Studenten Der Bachelor und seine Folgen: Eine Leidensgeschichte ,
siehe auch in der "Welt": Was das Turbo-Studium bringt [Von Katrin Bölstler 4. Juni 2008, 04:00 Uhr ]Wie die Umstellung auf Bachelor- und Masterabschlüsse das Leben der Studenten verändert - Klagen über steigenden Leistungsdruck - Jeder Vierte bricht ab)

Wieviel "wissenschaftliches" und vernetztes Denken kann bei den Nachwuchswissenschaftlern unter solchen Bedingungen "übrig bleiben". Die Kosten sind gestiegen, die Qualität des Studiums allerdings nicht. Die Zeche dafür werden die Nachwuchswissenschaftler, aber auch unsere Gesellschaft "bezahlen". Es wird dann bezahlt, wenn die "verdünnte" Wissenschaft in unserer Gesellschaft, d.h. an den Universitäten, in der Verwaltung, der Bildung, dem Gesundheitswesen, in der Politik etc. etc. etc. angekommen ist......

Sonntag, 12. Oktober 2008

Pseudowissenschaft in familiengerichtlichen Gutachten?

oder: Die Probleme psychologischer Gutachten bei erziehungswissenschaftlichen Fragestellungen

Rein definitorisch ist "Psychologie die Wissenschaft, die sich mit dem Erleben und Verhalten von Menschen und Tieren befasst." (zit. nachPsychologie) und "Erziehungswissenschaft, (die) wissenschaftliche Disziplin, die sich mit der Erforschung von Bildungs-, Erziehungs- oder Unterrichtsprozessen in schulischen und außerschulischen Praxisfeldern beschäftigt...."(zit. nach Erziehungswissenschaft).

Für die Erziehungswissenschaften wiederum ist die Psychologie "Hilfswissenschaft" (=Hilfswissenschaft, Wissenschaft, deren Ergebnisse oder Methoden für eine andere notwendig sind, siehe:Hilfswissenschaft ), d.h. die Psychologie als Wissenschaft übernimmt im erziehungswissenschaftlichen Theoriebildungs- und Forschungsprozess die Aspekte des menschlichen Erlebens und Verhaltens.

weiter hier:

Sonntag, 5. Oktober 2008

"Das dressierte Kind" oder "Psychologen und das Geschäft mit der Erziehung"

Bildquelle Pixelio (c) meyertobi
Eigentlich sind es Erziehungswissenschaftler, welche sich originär mit "Erziehung" theoretisch und wissenschaftlich auseinander setzen.

Psychologen kennen dieses Fachgebiet - dann eher unter "psychologischen" Aspekten und damit leider auch nur in Ausschnitten. Auch wenn die meisten Psychologen sich kaum mit Erziehungswissenschaft, ihren Theorien und Fragestellungen auseinander gesetzt haben, beurteilen Psychologen z.B. in gerichtlichen Begutachtungen, wagemutig, inwiefern eine Person "erziehungsfähig" sei.

Dabei werden auch die eigenen fachlichen Grundsätze außer Acht gelassen und die Begriffe "Erziehungskompetenz" bzw. "Erziehungsfähigkeit" bleiben undefiniert und werden nicht operationalisiert. (siehe: Operationalisierung).

Denn spätestens beim Versuch diese Begrifflichkeiten zu untersuchen, werden wissenschaftlich kompetent tätige Psychologen feststellen, dass sich die Frage nach der Erziehungsfähigkeit mit psychologischen Mitteln nur in einzelnen Ausschnitten und nur beschränkt "erfassen" und "messen" lässt. Nichts desto trotz, werden mit Freude Fragestellungen rund um die vage Vorstellung der Erfassung einer "Erziehungsfähigkeit" in gut bezahlten Gutachten für Familiengerichte aufgenommen, welche sich im Prinzip mit psychologischen Methoden nur unzureichend, wenn überhaupt und mit großen Mängel behaftet, beantworten lassen.

So wird mutig Erziehung auf einige Handlungsprinzipien reduziert und letzendlich willkürlich festgestellt, wie eine "optimale" Erziehung auszusehen hat. Eltern werden für "erziehungsunfähig", für "eingeschränkt erziehungsfähig" oder gar für "erziehungsunfähig" erklärt, mit dem Ergebnis, dass familiengerichtliche Entscheidungen unter pseudowissenschaftlichem Label zustande kommen und in unzulässiger Weise Lebensschicksale produziert werden.

In solchen Gutachten werden auch die eigenen Fachprinzipien, wie Empirie und wissenschaftliche Analyse der zu untersuchenden Variablen, - wohl aus Gründen fehlender theoretischer Reflexionsmöglichkeiten und mangelnder erziehungswissenschaftlicher Kenntnisse - völlig außer Acht gelassen.

Bildquelle Pixelio (c) Christine Braune: Über das Viadukt
Vermutlich geht es ja auch weniger um eine wissenschaftliche Annäherung an die Möglichkeiten und Probleme von Erziehung, es geht auch weniger um die wissenschaftliche Durchdringung der äußerst hohen Komplexität der in der Erziehung stattfindenden Prozesse, sondern es geht aus meiner Sicht um unangemessene Omnipotenzphantasien und die kommerzielle Ausschlachtung von Erziehungsfragen durch selbst ernannte psychologische "Erziehungsexperten" Unter Ausnutzung der Bedürfnisse eines jeden im Erziehungsbereich tätigen und von Natur aus vorhandenen Interesses zu Fragen der Erziehung,wird deren

Suche nach "Rezepten" für erzieherisch angemessenes Handeln...


mit lizensierten! und damit für die Experten "gewinnbringenden" Handlungsmaßnahmen in Kochbuchmanier beantwortet........ Die Rezepte stammen aus dem Methodenrepertoire erfolgreicher Verhaltenstherapie und aus den, der Urgroßmutter - bzw. Großmuttergeneration noch wohlbekannten "Erziehungsprinzipien", welche im Laufe der "Laissez-faire"-Erziehungsideologien in Vergessenheit geraten waren.......Anstatt Kohlekeller gibt es eine "Aus-Zeit" auf dem Stuhl oder im Zimmer.... Wie einst werden Prinzipien schematisch angewendet und die "psychologischen" Wirkungen der Erziehungshandlungen ausgeblendet......

Während sich Erziehungswissenschaftler darüber einig sind, dass sich Erziehung nicht auf ein paar "Rezepte" reduzieren lässt, sehen sich einige - eher weniger kritisch denkende - Psychologen berufen, Erziehung auf verschieden konstruierte "Konzepte, Verhaltensprogramme und Regeln" zu reduzieren....

Beispiel:

Mit Triple P (Beschreibung hier:Triple P ) haben Psychologen einen "Geschäftszweig" entwickelt, welcher - ähnlich z.B. der NLP-Ausbildungs- und Trainingsprogramme, Trainer ausbildet und diese Trainer wiederum mit ihren Rezepten Eltern das Geld aus der Tasche zieht.....

Natürlich gibt es in solchen Programmen immer auch Aspekte, welche sinnvolle und stützende Elemente enthalten. So schließe ich mich durchaus der Ansicht von Herrn Prof. Dr. Günther Deegener und Prof. Dr. Klaus Hurrelmann in ihrer kritischen Stellungnahme zum Triple P-Programm an. (Kritische Stellungnahme zum Positive Parenting Program (Triple P) PDF-Datei: "Kritische Stellungnahme zum Triple P" Hurrelmann/Deegener, 2002:
Dabei geht es nicht mehr um die generelle Befürwortung oder Ablehnung von Elternkursen, denn deren Notwendigkeit und vermehrte Angebote werden als unabdingbar angesehen - vielmehr bedarf es der verstärkten Diskussion um die Inhalte, Zielsetzungen und Zielgruppen von Elternkursen sowie damit untrennbar verbunden von Erziehungsinhalten, -zielen und -maßnahmen.
Gleichzeitig verbergen sich dahinter auch Risiken. Denn Erziehung sollte die individuellen Eigenschaften und Bedürfnisse eines Kindes berücksichtigen und auf die Situation in der Familie und das entsprechende Umfeld abgestimmt sein. Diese Vielseitigkeit lässt sich nicht auf einige wenige "Prinzipien" reduzieren:

So werden im Triple P-Programm 5 Prinzipien verfolgt (Zitat Kritik Deegener/Hurrelmann Seite7):
A.) Sorgen Sie für eine sichere und interessante Umgebung
B.) Regen Sie ihr Kind zum Lernen an
C.) Verhalten Sie sich konsequent
D.) Erwarten Sie nicht zuviel
E.) Beachten Sie Ihre eigenen Bedürfnisse

Bildquelle Pixelio (c) Christine Braune: Slalom
Die Autoren Deegener und Hurrelmann sehen hier zu Recht die Gefahr, dass in den Triple P-Konzepten die Erziehung auf eine " rigide, dressurmäßige, kochbuchhafte Erziehungshaltung hinausläuft" (Zitat S.7). Außerdem weisen die Autoren darauf hin, dass die eng gesetzten Verhaltenserwartungen und -normierungen die Gefahr einer erzieherischen Überforderung (d.h. nicht an das Intelligenzalter des Kindes angepasst) und einer Erziehung zur "Überangepaßtheit" (Unterdrückung des eigenen Willens, Erziehung zum Ja-Sager.....) besteht. So besteht die Gefahr, dass sich die ursprünglich sinnvollen Verhaltenserwartungen im Alltag ins Gegenteil verkehren können.


Äußerst fragwürdig ist z.B. die Feststellung der Triple P-Autoren im Programm ihrer "Kleinen Helferlein" (Zitat Kritik Deegener/Hurrelmann Seite18):
„In der ersten Nacht weint Ihr Kind vielleicht einige Minuten oder sogar Stunden. Es wird sich in den Schlaf weinen. ... Ignorieren Sie Ihr Kind, wenn es ruft oder weint, es erleidet dadurch keinen Schaden.”
Eine derartige Feststellung ist rein subjektiv und weit entfernt von einer wissenschaftlich begründeten Ansicht. Hier werden auch fachkundige Psychologen und Kinder-und Jugendlichenpsychotherapeuten ihre Einwände haben, denn:
Ob das Kind - wenn es sich stundenlang in den Schlaf weint - keinen Schaden nimmt, kann niemals generell behauptet werden. Je nach individuellem und situativem Empfinden des Kindes kann solches Handeln sehr wohl zu einer ungewollten "Deprivation" und zu Ängsten, ja sogar Traumatisierungen führen, mit entsprechenden Folgeschäden, welche aus der entsprechenden Forschung zu dieser Fragestellung bereits empirisch belegt worden ist.(siehe: www.stangl.eu: Deprivation oder Deprivation und Angst (Arbeitsblältter Stangl-Taller)

An diesem Beispiel zeigen die Autoren Deegener und Hurrelmann die hinter dem Triple P-Programm liegende Problematik auf und kommen zu der Schlussfolgerung (Zitat Seite 25)
Der gesamte Tenor dieses ‘Kleinen Helfers’ geht eher in Richtung auf eine kochbuchhafte Erziehungsanleitung, wobei die einzelnen Schritte extrem penibel, konsequent, rigide und rezeptmäßig eingehalten werden müssen. Durch die Vernachlässigung der psychischen Vorgänge bei Kind und Eltern, der Beziehungsaspekte zwischen ihnen, der situationalen Gegebenheiten, der Erklärungen und Begründungen von Eltern für ihre Erwartungen und Handlungen sowie auch der alters- und reifegemäßen Besonderheiten der Kinder bekommt
dieser ‘Kleine Helfer’ eher einen ausgeprägt dressurmäßigen, roboterhaften Zuschnitt.
In Punkt 3. (Zitat Kritik Deegener/Hurrelmann, Seite 28) untersuchen die Autoren die Erwartungen des Triple P-Programmes:
3. Welche Erwartungen/Normenvorgaben kommen in den ‘Kleinen Helfern’ bezüglich des Verhaltens der Kinder zum Ausdruck?
Probleme sehen die Autoren, wenn die empfohlenen Erziehungsmittel "inflationär" angewendet werden. Über die Notwendigkeit von Grenzen in der Erziehung besteht Einigkeit, allerdings haben wir das Problem, wie, d.h. auf welche Art und Weise Grenzen gesetzt werden. Hier beginnen die Probleme, weil jede erzieherische Handlung auch Reaktionen beim Edukanden (= das Kind, = die Person, welche erzogen werden soll) auslöst und je nach Persönlichkeit und Intelligenz individuell - mit all seinen Konsequenzen - vom Edukanden verarbeitet wird.(siehe dazu auch die Ausführungen der Autoren Deegener/Hurrelmann Seite 36/37)

Zitat Kritik Deegener/Hurrelmann Seite 38:
Auch wenn hier betont werden soll, dass in den ‘Kleinen Helfern’ durchaus auch viele Elemente dieser „dritten Dimension” zu finden sind, so ergibt sich dennoch letztlich, dass Triple-P diese zukunftsorientierte, demokratische und humane Dimension in der Erziehung stark vernachlässigt zugunsten einer Überbetonung auf Anpassung und Gehorsam.
und Zitat Kritik Deegener/Hurrelmann Seite 39:
Die Eltern werden ein- bzw.angewiesen, bei unterschiedlichsten Verhaltensweisen der Kinder (welche sie als problematisch ansehen) nach insgesamt gesehen relativ wenig vorgegebenen
Schablonen (Regeln, Plänen, Zeitabläufen, Belohnungssystemen usw.) sich in mehr oder weniger vorgeschriebener Weise zu verhalten (was auch die Gefahr eines roboterhaften Verhaltens beinhaltet). Ob damit (also ganz überwiegend auf lerntheoretischer Basis) die Eltern wirklich hinreichend erziehungskompetent sind in dem Sinne, dass ihre subjektiven Kontrollüberzeugungen wachsen und sie den Eindruck gewinnen, der unendlichen Zahl von Erziehungssituationen größtenteils hinreichend gewachsen zu sein, wird bezweifelt. Außerdem ist zu fragen, ob es gut ist, den Eltern durch das „Positive Erziehungsprogramm” sozusagen den einzig richtigen Heilsweg aufzuweisen. Eltern, die sich selbst, ihre Erziehungsvorstellungen, ihre Beziehung zum Kind, die Entwicklung von Kindern usw. umfassender verstehen lernen aufgrund breiter angelegter Konzepte, werden sicherlich flexibler in der Erziehung reagieren und eine tragfähigere Beziehung und tiefere Bindung zu ihrem Kind aufbauen und aufrecht halten können - sie werden dabei sicherlich auch auf lerntheoretische, verhaltenstherapeutische Hilfsangebote zurückgreifen, aber eben auch z.B. auf Elemente der Elternseminare von Gordon und der Elternkurse „Starke Eltern - Starke Kinder” des Deutschen Kinderschutzbundes oder der Elternschulung von Penthin oder den Elternbriefen usw. (siehe z.B. auch die 8. Sitzung aus: „Early Childhood Parenting Skills. A
Prgogram Manual for the Mental Health Professionals” von R.R. Abidin - Psychological Assessement Resouces Inc, 1996 - , in der die Eltern diskutieren und lernen, die Schwellen zu einem zu permissivem Erziehungsstil einerseit sowie zu einem zu stark disziplinierendem Erziehungsstil erkennen zu lernen).
Und ein weiterer Problempunkt wird von den Autoren unter die Lupe genommen. Denn es ist die Frage zu stellen, welche Vorstellung hier vom "Kind" als "Erziehungsobjekt" vertreten wird undwelches Erziehungsziel mit dieser Form von Erziehung verfolgt wird. Können wir mit Hilfe einer solchen Erziehung ein Kind "formen" (=> hier stellt sich die Frage, ob diese implizite Vorstellung in Erziehungsprogrammen überhaupt realistisch ist, siehe auch "retroaktive Sozialisation") - Zitat Kritik Deegener/Hurrelmann Seite 40:
Letzteres berührt den Punkt von Ressourcen, Fähigkeiten, Selbsthilfepotentialen,Einsichten, Wissen usw. von Eltern und Kindern. In seiner einseitigen Ausprägung erinnert Triple P in diesem Zusammenhang z.B. etwas an die Einstellung von Pädagogen früherer Jahrhunderte, wonach den Kindern Vernunft abgesprochen wurde und sie somit nicht durch den Appell an den Verstand, sondern alleinig über Zähmung und Zucht erzogen („gebildet”) werden konnten. Verhaltensänderungen aufgrund von Einsichtsfähigkeit und Vernunft, aufgrund eigener Überlegungen und Selbstinstruktionen oder Gesprächen mit Mitmenschen usw. finden im
Rahmen solcher Vorstellungen zu wenig Platz.

Als Erziehungswissenschaftlerin kann ich es kaum fassen, dass der natürliche Prozess der Erziehung und entsprechende Konzepte auch noch mit Lizenzen versehen werden um "Erziehungskonzepte" kommerziell ausgerichteter Vermarktung zugänglich zu machen. Es wird - ähnlich wie in der Pharmaindustrie - behauptet, man habe empirische Belege für seine Wirksamkeit.......Details sind nicht bekannt.......:
In zahlreichen Ländern gibt es mittlerweile Lizenznehmer, die mit Triple P arbeiten dürfen. In Deutschland sind wir das, die PAG Institut für Psychologie AG. Ein Teil unserer Einnahmen wird an den Lizenzgeber, Triple P International Pty Ltd abgeführt.(Zitat aus:Wir über uns - Triple P Deutschland - Urheberrechte und Lizenzen )
Ein großer Aufschrei ging durch unsere Republik, als in Fragen der Sterbehilfe Herr Kusch die Gründung eines kommerziellen "Sterbehilfeunternehmens" (siehe: Wenn der Glaube an Gott das Mitgefühl verdrängt....) ankündigte. Wenn es um Erziehung geht, dann scheint sich die Politik um die Frage der Kommerzialisierung nicht zu scheren.......

Donnerstag, 14. August 2008

Hartz-IV- Kinder per Schulgesetz in NRW benachteiligt

Bildquelle Pixelio: (c) mariocopa
In Deutschland gibt es - wie Sie wissen - eine Schulpflicht....aber keine generelle Lernmittelfreiheit und keine Übernahmeverpflichtung für Schülertransportkosten .

Bildung ist "Ländersache" . In NRW war die CDU angetreten, den bestehenden "Bildungsnotstand" abzubauen. Leider sprechen die Fakten eher für das Gegenteil:

...und das trifft insbesondere Kinder aus armen Herkunftsfamilien.......Dabei war es auch schon zuvor "Lehreralltag", dass in vielen "Lehrertaschen" zusätzliche Farbstifte, Malutensilien, Hefte, Kunstblöcke etc. etc. auf Vorrat lagen, um sozial benachteiligten Kindern die Teilnahme am Unterricht zu ermöglichen.

Auch die Autorin dieses Beitrages hat oft aus ihrem eigenen Fundus dazu beigesteuert, dass Hartz-IV-Kinder und Kinder aus überschuldeten Familien ein Ausschluss wegen fehlender Arbeitsmittel erspart blieb.....

Seit 2005 müssen nun Eltern mit Hilfe der bereits schon zu niedrig angesetzten Hartz-IV-Beträge neben Heften, Stiften, Materialien für den Kunst-, Handarbeits- und Turnunterricht etc. etc. auch die Schulbücher und Schülertransportkosten aus den Hartz-IV-Beiträgen finanzieren.

Diese Regelung geht nun in das 3. Jahr, die Lebenshaltungs- , Wohnungs- und Energiekosten sind zwischenzeitlich auch gestiegen. Längst ist ein "menschenwürdiges" Leben und Teilhaben an einer geregelten Bildung und Ausbildung für Hartz-IV-Kinder nicht mehr umsetzbar. Wie ich bereits berichtet habe, hatte Thilo Sarrazin den Hartz-IV-Empfängern ein ungesundes und für Kinder nicht entwicklungsangemessenes Hartz-IV-Menü vorgeschlagen (Das Hartz IV-Tages-Menü von Thilo Sarrazin - ungesund und für Kinderernährung nicht geeignet)

Schulpolitiker und Landesregierungen, welche eine solche Benachteiligung von Kindern aus sozial-schwachen Familien dulden, denken kaum an die Zukunft der Kinder und auch nicht an die Zukunft unseres Landes. Denn die heutige Benachteiligung in unserem Bildungssystem, mangelnde finanzielle Ausstattung und fehlende Fördermöglichkeiten, lassen gerade dieses Klientel viel eher wieder in den Hartz-IV-Kreislauf zusammen mit ihren Kindern eintreten....

Befreiung vom Eigenanteil für Lernmittel und Schulfahrten für Hartz -IV Bezieher in NRW gestrichen
Zitat:
Nach §§ 96, 97 Schulgesetz NRW vom 27.1.2005 gilt nun, dass nur noch Schüler, die Leistungen nach SGB XII beziehen, von dieser Zuzahlung befreit werden - wohl wissend, dass es damit praktisch keine Anspruchsberechtigten mehr gibt. Arbeitslosengeld II -Bezieher, in deren Haushalten nahezu alle der betroffenen Kinder wohnen, sollen diese Kosten aus dem Existenzminimum übernehmen, obwohl ihre Kinder nach SGB II keine höheren Regelleistungen bekommen als nach SGB XII und obwohl insgesamt die Regelsätze für Kinder ab 7 Jahren gegenüber den Regelsätzen der Sozialhilfe schon, durch die Regelsatzverordnung der rot-grünen Bundesregierung um 5 - 10% abgesenkt worden, sind. Die Befreiung, die jetzt noch notwendiger wäre, als für die ehemaligen Sozialhilfebezieher, ist damit parallel zur Hartz IV Reform gestrichen worden.

Hintergrund der Regelung ist, dass sich durch die vielen ehemaligen Arbeitslosenhilfebezieher, die jetzt genauso arm sind wie die Sozialhilfebezieher, der Kreis der Berechtigten erweitert hat und dass weder das Land und noch die Kommunen, Mehrbelastungen als Folge der von ihnen ja ansonsten politisch befürworteten zunehmenden Verarmung übernehmen wollen.

Donnerstag, 7. August 2008

Titelstory "Neue Wesfälische":Schulen in Not......

Schulen in Not: Lehrer werden Mangelware...
und wen wundert's?

Auch wenn hierfür das aktuelle NRW-CDU-Schulministerium verantwortlich gemacht wird, so hat eigentlich zuvor das von der SPD geführte Schulministerium dafür den Weg geebnet. Die CDU hat im Prinzip die negative Arbeitspolitik für Lehrer nur fortgesetzt:
Bildquelle Pixelio: (c) Gila

Auf der Internetseite von Paul Tresselt, welcher unser Schulsystem seit Jahrzehnten aus eigener Erfahrung beobachtet, finden Sie dazu sehr ausführliche Informationen: Paul Tresselt - Ihr Internetberater für Lehrer, Lehramtsanwärter und Schulleiter

Längst ist diese Seite für Lehrer zu einer sehr wichtigen Informationsseite auch für aktuelle Entwicklungen geworden....
Alle bei Paul Tresselt verfügbaren Informationen finden Sie auf seiner Übersichtsseite.
So zeigt er, wie sich die Arbeitszeiten negativ, zu ungunsten der Lehrer entwickelt haben. Auf seinen Seiten finden Lehrer und Eltern Informationen über die tatsächliche Arbeitsbelastung ..und natürlich noch vieles mehr.

Ständige, vor allem bürokratische Mehrbelastungen in den letzten Jahren ließen die Arbeitsbelastung der Lehrer stark anwachsen. In NRW wurde die landeseigene Lehrerfortbildung reduziert, dann ganz gestrichen. Zusätzliche Evaluationsarbeiten, aufwendiges Erstellen von Kopfnoten, Konferenzzirkus, Schulinspektionen etc. etc. nahmen Lehrkräften die Zeit und die Kraft für die so notwendige Unterrichtsvorbereitung.

Kurz: Lehrer ist in Vollzeit ein "Hochstress-Job" geworden. Da helfen auch die neidischen Blicke von "Nicht-Lehrern auf die Ferien nichts. Auch der einzelne stammtischfähige Verweis auf Einzelbeispiele "fauler" Lehrer" treffen nicht die reale Situation. Lehrkräfte, welche ihren Beruf gut und gewissenhaft ausüben, haben auch unter Hinzurechnung der Ferien eine über 50 Stunden liegenden durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit.

Nordrhein-Westfalen ist z.B. in Sachen "Vertretungsreserve", d.h. die Vorhaltung von Springer-Lehrkräften für längerfristig ausfallende Lehrkräfte, das Vorreiterland für dessen Abschaffung vor mehr als 10 Jahren !!! gewesen...... Wenn zu den langfristigen Unterrichtsausfällen, dann auch noch kurzfristige saisonale geballte Ausfälle hinzukommen.....dann gibt es wie so oft, sog. "Hausarbeitstage". Diese haben meine Kinder bereits vor 10 Jahren gehabt und seither hat sich nicht viel verändert. Im Gegenteil....steigende berechtigte Elternbeschwerden zeigen, dass sich hier keine Verbesserung abzeichnet.

Zu all dem kommt dann eine autoritär und bürokratisch geführte Schulverwaltung mit ständig neuen "Schul- und Lehrerkontrollsystemen". Lehrkräfte müssen sich "unterordnen" können und wollen. Selbst wenn die Anweisungen von "oben" nicht gesetzeskonform sind, wie ich das selbst erlebt habe.....so sind sie daran gebunden. Wer sich nicht unterordnet wird oft von der vorgesetzten Behörde gemobbt: Strafversetzungen, Besuche der Schulaufsicht*, Druck auf die Schulleitungen, welcher dann nach "unten" durchgereicht werden muss. Die Liste ist lang und lässt sich auch beliebig verlängern.....

Eine Schulverwaltung und Bezirksregierung, welche mit Akribie ihren 8-Stunden-Tag, selbstverständlich mit Gleitzeit, einhält und ihre "untergeordneten" Lehrkräfte bevormundet ist für keinen Lehrer attraktiv.

Lehrer haben von mehreren Seiten starken Druck auszuhalten:
Von oben ;-) Bezirksregierungen,Schulverwaltungen, Schulaufsichtsbeamte*, Schulinspektionen** etc. etc.
Von der Mitte ;-) in der Regel immer einige Kollegen....
Von unten ;-) Schüler und Eltern

Lehrerdasein heißt, diesen ganzen "Kräften", welche an der Person zerren, Stand zu halten. Das ist kein Vergnügen.....

Also....wen wundert es, dass keiner mehr Lehrer werden will, bzw. viele Lehrer schlicht "arbeitsmüde" sind....Der Krug geht solange zum Brunnen.......

Und jetzt wissen Sie auch warum ich dem Lehrerdasein den Rücken gekehrt habe ;-)
Dabei ging es niemals darum, dass ich keinen Freude und keinen Spass daran hatte, Kindern und Jugendlichen eine gute Lehrerin zu sein. Die Rahmenbedingungen sind es, welche das Lehrerdasein unerfreulich werden lassen.....

* Schulaufsichtsbeamte
sind - bis auf wenige Ausnahmen - ehemalige Lehrer oder Schulleiter...sie haben im Prinzip an der täglichen Lehrtätigkeit und am Umgang mit Schülern weniger Interesse bzw. waren während ihrer Lehrtätigkeit an Schulen oftmals überfordert. Mein ehemals zuständiger Schulaufsichtsbeamter war an seiner Herkunftsschule sehr "ungeliebt" gewesen. Seine "Berufung" zum Schulaufsichtsbeamten fand daher (zum Leidwessen der später "beaufsichtigten" Schulen und Lehrer) mit Unterstützung des ehemaligen "untergeordneten" Kollegiums statt. Lehrer, welche keinen Spass (mehr) haben, zu unterrichten oder gesundheitlich angeschlagene Lehrer, welche der täglichen Unterrichtsbelastung nicht gewachsen waren....finden sich oft auch wieder im "Schulverwaltungsbereich".....oder in der Lehrerausbildung!!

Merke: Schulaufsichtsbeamte interessiert das Wohlergehen der Schüler an den Schulen nur in sehr seltenen Fällen. Ihnen geht es um die Bevormundung und autoritäre Verwaltung von Schulen und Lehrern....

** Schulinspektoren
Für diesen Zweck wurden extra Personen ausgebildet....dafür hat man an Schulen Lehrerstellen unbesetzt gelassen ;-))).Übrigens: Im PISA-Siegerland gibt es weniger autoritäre Verwaltungsstrukturen, als in Deutschland:Die Schulinspektoren haben sich selber aufgelöst und ein offizielles Ranking um die besten Plätze gibt es nicht - Denn sie wissen genau was sie tun: Das finnische Schulmanagement

Ist hier noch etwas hinzuzufügen?

Donnerstag, 26. Juni 2008

NRW Bildungschaos - NRW Abitur -NRW Schulministerium

Bildquelle Pixelio: (c) Memephoto
Wer das System nicht kennt, teilt - vermeintlich zu Recht - das diesjährige Abitursungemach dem NRW Bildungsministerium Frau Sommer und dem Verwaltungsjuristen Winands zu. In dieses Horn bläst auch der Neue Westfälische Kommentator Bernhard Hänel. Für ihn sind die "Schuldigen" der Bildungsmisere bereits ausgemacht. Er weiß nicht, wie das NRW Bildungssystem seit Jahrzehnten funktioniert, dann wüsste er, dass die Lösung des Problems bei weitem nicht so einfach gestrickt ist, wie er dies in seinen Kommentaren immer wieder verlauten lässt.

Worum geht es?

Um das diesjährige Zentralabitur in Mathematik. Es wurden Dinge gefragt, welche zwar im Lehrplan stehen, jedoch nicht an allen Schulen Thema waren. Frau Sommer ist bereits viel zu lange nicht mehr aktiv im Schuldienst gewesen, sonst hätte sie wissen können, dass in NRW der Lehrplan einen gewissen "Unverbindlichkeitscharakter" besitzt. Auch hätte sie gewusst, dass man die Dinge trennen muss, zwischen dem, was Lehrer im Alltag unterrichten und was nachher in den Klassenbüchern und Förderplänen schriftlich festgehalten wird.

Sind die Lehrkräfte schuld?
Kann man dann den Vorwurf bzw. die Schuldzuweisung an die Lehrkräfte weiterreichen? Nein, eben auch nicht. Denn seit Jahren steigt die Arbeitsbelastung. Immer mehr soll "theoretisch" als Aufgabe erledigt werden. Weil dies in der Praxis allerdings nicht möglich ist, wird eben aufgeschrieben, was nie stattgefunden hat. Und hier nimmt das Dilemma seinen Anfang. "Lehrersozialisation" in die Schulbehördenhierarchien
Früh werden Lehrkräfte darauf getrimmt, sich der hierarchischen Schulbehördenstruktur zu unterwerfen. Dabei spielt die Vernunft und Wissenschaftlichkeit keine Rolle. Hier geht es auch um (irr-)rationale und gesetzeswidrige Anweisungen, welche der eine oder andere zu erfüllen hat. Tut er es nicht, hat er mit Sanktionen der Schulbehörde oder der Bezirksregierung zu rechnen.

Lehrkräfte werden früh in dieses System hineinsozialisiert: Zunächst müssen sie sich (irr-)rationalen Anforderungen während ihres Referendariats stellen. Sie lernen, dass die ausbildenden Lehrkräfte im Lehrerseminar das Sagen haben. Oft werden Dinge verlangt, welche rein persöhnliche Ansichten widerspiegeln und mit dem Stand der pädagogisch-psychologischen Wissenschaft wenig zu tun haben.......

Lehrerkontrolle ohne Expertentum
Später stehen Lehrkräfte unter der Kontrolle und den "verwaltungstechnischen" Anforderungen der übergeordneten Schulämter und Bezirksregierungen. Dort interessiert weder das Wohlergehen der Schüler, noch die Gesundheit und Arbeitsmotivation der Lehrer. Wie mir ein ehemaliger Schulleiter erzählte, hatten sich vor Jahren einige Schulleiter zusammen getan um die Behörden darauf aufmerksam zu machen, dass ihr Schulbetrieb nach einigen dieser Regularien nicht funktionieren könne. Mit der Androhung, man werde sie ihres Schulleiteramtes entheben waren sie von der Bezirksregierung mundtot gemacht worden.....

Natürlich "wissen" jene Behörden auch, welcher Unterricht der "Beste" ist. Sie geben schön theoretisch die Rahmenbedingungen vor. Schulbeamte - seit Jahrzehnten selbst nicht mehr in der Praxis - sind diejenigen, welche die Praktiker dann überprüfen und theoretisch natürlich alles besser wissen. So etwas wirkt sich auf das Klima aus. Da "offene" Kritik an den Behörden mit zum Teil massiven und zermürbenden Aktionen sanktioniert werden, übt der Lehrerstand "passiven" Widerstand aus. Das heißt, die Behörden bekommen das zu hören, was sie hören wollen. Sie lesen die Statistiken, welche sie lesen wollen und sie studieren Förderpläne, welche ihren Regeln entsprechen. Hinter den Kulissen im Lichte der Realität ist diese Handlungsweise für Lehrkräfte "überlebensnotwendig". Denn z.B. in den Herbst- und Wintermonaten kommt es - dank Überalterung, Überarbeitung, etc. - zu ständigen Ausfällen.

Lehrererkrankungen - Überstunden und Schulstundenausfälle
Da NRW seit mehr als 10 Jahren keine Lehrerüberhänge zum Ausgleich besitzt, müssen die übrig gebliebenen Lehrer Überstunden machen und werden eben dann auch in dieser Zeit eher wieder krank. So wird geflickt, wo es irgendwie geht. Stoff muss nachgeholt werden und oft fallen dafür z.B. Förderstunden wieder aus...und vieles bleibt aber auch liegen. Schauen wir uns die Situation in den Gymnasien an, so hat man ohne Lehrplankürzung das G8 im Schnellschuss durchgesetzt und zum Teil den Lehrern die Kürzung der Lehrpläne überlassen. Das kann nicht gut gehen. Frau Sommer ist nun dadurch gescheitert, dass sie unterstellt hat, die Lehrpläne könnten vollständig durchgezogen werden.

Auch die Kopfnotenproblematik ist eine "hausgemachte". Wenn nun von Rüttgers angesichts der zunehmenden Klagen eine "Ermahnung" an das Schulministerium geht, wird dies auch zukünftig nicht viel ändern. In Baden-Württemberg kann man über all den Bohei nur müde lächeln. Real- und Gymnasiallehrer sind erstaunt, wie gering - im Verhältnis zu BW-Abschlussprüfungen - die NRW Zentralprüfungen sind und welch immens hoher (auch finanzieller !!!) Aufwand betrieben wird, um diese neu zu etablieren.

Länderinteressen entsprechen weder Eltern- noch Schülerinteressen:
Wie viel Millionen könnte man sparen, wenn Deutschland ein Schulministerium hätte, ein Zentralabitur, einen Zentral-Realschulabschluss und einen Zentral-Hauptschulabschluss ? Wie viele Schulverwaltungsstrukturen ließen sich abbauen und die freiwerdenden Gelder in Schulen, Lehrer und kleinere Klassen investieren? So wird für Bildung viel Geld ausgegeben, bloß dass vieles davon nicht bei jenen ankommt, welcher der Bildung bedürfen: die Kinder. Sie werden auch zukünftig leiden, wenn ihre Eltern in einen anderen Ort ziehen müssen oder noch schlimmer gar in ein anderes Bundesland. Und wer von Nordrhein-Westfalen nach Hessen, Baden-Württemberg oder Bayern zieht, muss mindestens eine Klasse wiederholen um den Anschluss zu bekommen. Wer vom NRW-Gymnasium in ein anderes Bundesland nach der 10. Klasse zieht, schafft - wenn überhaupt - höchstens die Fachhochschulreife. Mit Sicherheit sind die Kinder in NRW nicht dümmer, als in anderen Bundesländern. Nur eben das Bildungssystem und die Lehrerausbildung ist dort um einiges chaotischer......

Und wer badet das oben beschriebene NRW-Bildungschaos aus? Wieder diejenigen, welche am unteren Ende der Hierarchie sitzen: die Schüler. Ihnen gilt mein Mitgefühl. Sie erleben ein Bildungssystem, welches dringend sanierungsbedürftig ist und sie leiden nicht nur jetzt, sondern auch in Zukunft unter dem:
was sie nicht gelernt haben und hätten lernen können bzw. sollen......
was lustlose oder überarbeitete, unterdrückte Lehrer an Frust auf sie übertragen haben......
fehlende Kompetenzen, welches das System nicht vermitteln konnte, jedoch hätte vermitteln können.....
fehlende Unterrichtsqualitäten, welche eine aufwendige, jedoch mangelhafte Lehrerausbildung nicht sichern konnte....
Bildquelle Pixelio:(c)Rainer SturmQuellen. Neue Westfälische vom 10. Juni 2008:
"Rüttgers stoppt Abi-Chaos - zweite Chance bei Mathe-Klausur“ von Bernhard Hänel Kommentar von Bernhard Hänel: Rüttgers Machtwort "Handlungsbedarf" Bernhard Hänel: Trotz Kontrolle viele Fehler bei Abi-Aufgaben - 17 Schritte bis eine Aufgabe zum Zentralabitur feststeht. Kurt Ehmke: Abitur nach der Entlassungsfeier - Nach scharfer Kritik an der Mathe-Klausur dürfen viele nun noch einmal ran - in sehr engem Zeitrahmen.

Donnerstag, 22. Mai 2008

Wenn Lehrer und Schüler zum Opfer blinder Schulpolitik werden....

weil lebensfremde und bürgerfeindliche Bestimmungen völlig absurdes Handeln verlangen.....

Der Fall: Irgendwo in Deutschland an einer Grundschule. Die Grundschule ist Teil eines getrennt arbeitenden "Schulkomplexes" mit einer angegliederten Sonderschule. Die Landesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, die Sonderschule bzw. alle bestehenden Sonderschulen zu schließen. Dabei kommen ihr auch Elternwünsche zur Integration ihrer sonderschulbedürftigen Kinder in die Regelschule entgegen. Warum nicht, werden Sie sagen. Warum sollen Schüler aus der "Gemeinschaftsschule" ausgeschlossen werden....Integration ist modern und angesagt.......

Nun möchte ich an dieser Stelle nicht diskutieren, ob möglicherweise Sonderschullehrer besonders für Schüler mit Lernbehinderungen und Verhaltensstörungen ausgebildet sein könnten. Sonderschullehrer weisen zumindest besondere Kenntnisse in diesen Problembereichen auf....Möglich, dass jene Eltern mit ihren Integrationswünschen diesen Aspekt außer Acht lassen.....
oder der festen Überzeugung sind, dass ihr Kind schon gar nicht auf die weniger angesehene "Sonderschule" gehöre..........

In diesem Beitrag geht es um die Folgen einer Regelbeschulung für das betroffene Kind, die betroffenen Mitschüler und die betroffenen Lehrkräfte:

Es geht um ein schwer verhaltensgestörtes Mädchen, nennen wir sie Franka*. Franka's* Mutter ist geschieden und wieder verheiratet. Franka's Halbschwester Isolde* ist ein paar Wochen alt, als die Lehrerin Frau Meier* eine dritte Klasse übernimmt. Normalerweise führen Lehrkräfte in diesem Bundesland ihre Schüler von der ersten bis zur vierten Klasse. Durch die Versetzung einer Kollegin, musste jene Klasse nun ab der dritten Klasse von Frau Meier* weiter geführt werden. Frau Meier* teilt sich diese Klasse mit dem Schulleiter, welcher stundenweise darin tätig ist. Frau Meier* hatte diese Klasse mitsamt jener verhaltensgestörten Schülerin vom Schulleiter anvertraut bekommen, weil sie besonders herausragende Fähigkeiten der Unterrichts- und Klassenführung besitzt. Jene Lehrerin ist knapp über 30 Jahre alt und genießt auch bei Schülereltern ein sehr hohes Ansehen.

Frau Meier* kann stolz auf ihre bisherige Unterrichtstätigkeit zurückblicken: eine Lehrerin, welche für viele die Kriterien einer idealen Lehrkraft erfüllt: hohes Einfühlungsvermögen,Sensibilität, Gesprächskompetenz, Konsequenz, Unterrichtskompetenz und Organisationstalent......

Ja, es ist nur zu verständlich, dass die Schulleitung jene Lehrkraft für diese besondere Herausforderung eingesetzt hat. Frau Meier* holt sich Rat von einer Sonderschulpädagogin, einem Psychologischen Psychotherapeuten und liest entsprechende Fachliteratur um ihrer Klasse und Franka's Bedürfnissen gerecht zu werden......

Geduldig übersteht sie die morgendlichen 5-6 Unterrichtsstunden. Sie versucht sich zu "entspannen", wenn sie in anderen Klassen unterrichten darf und versucht mit den ununterbrochenen Unterrichtsstörungen, Schrei- und Zornesanfällen und den aggressiven, manchmal gewalttätigen Ausbrüchen von Franka fertig zu werden. Es werden Verhaltensprogramme aufgesetzt.....erst wenn mehrere davon scheitern, kann sie eine Umschulung von Franka* beantragen... und auch diese dauert, denn eigentlich gibt es dafür wieder Wartezeiten...

Für Frau Meier* völlig ungewohnt, ist ihr Unterricht nun ständig durchzogen von Franka's* ununterbrochenen Störungen und aggressiven Ausbrüchen. Franka schafft es höchstens 10-15 Minuten einmal ruhig zu sitzen und eine Aufgabe zu machen. Frau Meier* lebt von Wochenende zu Wochenende. Zunehmend fällt die Schulklasse in ihren Leistungen zurück, weil auch die Schüler durch die ständigen Störungen von Franka nicht mehr aufmerksam und konzentriert dem Unterricht folgen können.

Sowohl die Sonderschulpädagogin, als auch der Psychologische Psychotherapeut sehen keine Möglichkeit, dass Frau Meier bei einer Klassengröße von 25 Schülern, Franka's Ausbrüche so beherrschen kann, dass ein störungsfreier Unterricht stattfinden kann.

Frau Meier*, eine ansonsten sehr robuste und leistungsfähige Lehrerin ist zunehmend erschöpft nach ihren Schulvormittagen. Sie kommt von der Schule und muss erst einmal 2-3 Stunden schlafen. Nachts kann sie kaum noch schlafen. Ihre Kräfte schwinden zunehmend und Frau Meier droht ernsthaft krank zu werden....

Ihr "Glück" im "Unglück" des Kindes Franka: Franka verletzt sich selbst so stark, dass sie für vier Wochen in eine psychiatrische Klinik kommt......
und Frau Meier* kann von Stund an nachts wieder bestens schlafen. Für vier Wochen genießt diese Schulklasse eine Ruhe, welche sie zuvor noch nie kennen gelernt hatte, denn Franka* ist ja seit der ersten Klasse dabei......

Nun ist meine - leider - reale Fallbeschreibung noch nicht zu Ende.....denn Franka* kommt zurück und die Schule ist verpflichtet, die Schülerin wieder in den vorherigen Klassenverband aufzunehmen. Eine Alternative gibt es nicht........Da jedoch durch den stationären Aufenthalt sich die Gesamtsituation von Franka* zuhause nicht verändert hat und die Rahmenbedingungen wieder die alten sind, hat sich weder für die Klasse, die Lehrerin und Franka etwas verändert. Auch die Gefahr, dass Franka sich jederzeit etwas antun könnte, ist noch vorhanden.....

So beginnt also dasselbe "Spiel" wieder von vorne...hmm...nein, nicht ganz: denn Frau Meier* und ihre Klasse konnte sich in den vier Wochen nicht ausreichend erholen. Frau Meier* beginnt an sich selbst und an ihren pädagogischen Fähigkeiten zunehmend zu zweifeln, auch wenn die Fachleute ihr verstärkt versichern, dass die Betreuung eines derart schwer verhaltensgestörten Kindes in einem Klassenverband von 25 Schülern auch für Professionelle, d.h. für ausgebildete Fachleute unmöglich ist...

Frau Meier* weiß, dass ihre dritte Klasse hinsichtlich ihrer schulischen Leistung deutlich hinter der Parallelklasse liegt. Sie sieht keine Möglichkeit, wie sie die Leistungsunterschiede noch ausgleichen kann. Frau Meier* muss sich völlig von ihren gewohnten, vorzeigbaren "Leistungen" als Lehrerin verabschieden.. ...

Die Eltern von Franka's* Mitschülern und Mitschülerinnen äußern ihre Unzufriedenheit, Kollegen beklagen sich über die schwierige Situation in Frau Meier's* Klasse. Frau Meier* wird zunehmend depressiv und fühlt sich zwischenzeitlich völlig hilflos der ausweglosen Situation ausgeliefert. Ein Ausweichen ist unmöglich und sie ist an ihrem Limit angekommen.....und wird krank........

Nun müssen die Schulleitung und die Kollegen versuchen...dieser Situation Herr zu werden......

FAZIT:
Eine Schulklasse, d.h. 24 Schüler und ihre Lehrer "leiden" nun fast 3 Schuljahre unter einer "zwangsintegrierten" Schülerin. Die "Stimmung" in der Klasse und bei den Kollegen ist entsprechend gedrückt. Eine angemessene Lernsituation nicht herstellbar....... Wer denkt hier nach? Wenn Vorschriften pädagogisch-psychologisches Handeln völlig unmöglich machen? Lehrerversagen oder Politikversagen?

* Namen der Personen geändert

Mittwoch, 7. Mai 2008

Hilflose Lehrer verbieten den Tausch von EM-Fußballbildern.........

Bildquelle Pixelio: (c) S. Hofschlaeger
Grundschüler im Tauschfieber veranlassen die Schulleitung zu drastischen Maßnahmen. Schulleitung und Eltern der Fellbacher Grundschule sollen sich darüber einig sein, dass ein Tauschverbot eine sinnvolle Lösung sei.
Wer sich dem Verbot widersetzt und dabei erwischt wird, muss die Panini-Sammelbilder abgeben und soll diese erst zum Ende des Schuljahres wieder zurückbekommen.

Bericht im schwarzwaelder-bote.de: Klebe-Verbot für Fellbacher Grundschüler
Bericht im Spiegel online: Schule stoppt Tausch von EM-Fußballbildern

Dieses aktuelle Beispiel verdeutlicht, dass die Lehrerausbildung offenbar nicht ausreichend auf den pädagogischen Alltag vorbereitet. Eigentlich sollte das Fach Pädagogische Psychologie zum Standard einer angemessenen Lehrerausbildung gehören. Dort hätten die Fellbacher Lehrkräfte lernen können, wie mit dem urmenschlichen Phänomen der Sammelleidenschaft angemessen umgegangen werden kann.

Diese Schule steht m.E. stellvertretend für die generelle Hilflosigkeit von Lehrkräften, wenn es um erzieherische Probleme geht, d.h. "Fellbach" ist überall in Deutschland....... Hier sind die verantwortlichen Landesregierungen und jene gefragt, welche eine sinnvolle Lehrerausbildung gewährleisten sollten......

Dass die Eltern diesen Massnahmen zustimmen ist verständlich, denn wenn schon Lehrkräfte solchen normalen - bereits über Generationen hinweg bestehenden - Sammelleidenschaften hilflos gegenüber stehen, was könnten dann pädagogisch nicht ausgebildete Eltern noch zur Lösung des Problems beitragen?

Wäre eine an der Praxis orientierte Ausbildung im Fach Pädagogische Psychologie üblich, wüssten die Lehrkräfte, wie sie das Sammelproblem sinnvoll lösen könnten:

Was ist von der gewählten "Problemlösung" zu erwarten?
Ein Großteil der Schüler wird sich daran halten. Allerdings: ihnen wurde eine Leidenschaft verboten, welche durchaus auch noch von Erwachsenen gepflegt wird. Sie müssen auf ein seit Generationen sehr beliebtes Sammel- und Tauschgeschäft verzichten. Das weckt negative Gefühle. Sie wurden um einen äußerst beliebten Freizeitspass gebracht und es ist nicht zu erwarten, dass die Schüler mit derselben Einsicht, wie ihre Lehrer und Eltern, das Verbot akzeptieren. So entsteht Widerstand, welcher sich an anderer Stelle äußern kann (Unterrichtsstörungen, Lernunlust, Arbeitsverweigerung, Streitigkeiten)

Anstatt dessen findet nun der Tausch, mit allen damit verbundenen Konflikten nach Schulschluss statt. Die daraus entstandenen Probleme tragen die Schüler, spätestens am nächsten Tag dennoch wieder in die Schule hinein....... mit dem einzigen Unterschied, dass für die entstehenden latenten Störungen die Ursache vom Schulhof verbannt worden war....

Was sagt die "graue" Theorie?

Die theoretischen Hintergründe dazu existieren seit 1966. Brehm war der erste, welche die dahinter liegende Reaktanztheorie entwickelt hat. Nachfolgende Studien konnten seine Theorie belegen und erweitern.
Reaktanztheorie: hier

Sozialverhalten fällt nicht vom Himmel, oder ist gar angeboren. Soziales Verhalten wird erlernt (Modelllernen, operante und klassische Konditionierungsvorgänge, Denken und Problemlösen).
Jene Lernmodelle sind Gegenstand der pädagogischen Psychologie und sollten ansich Gegenstand eines jeden Lehramtsstudiums sein.

Welche Handlungsalternative hätte die Schule gehabt?
Die Fallschilderung beschreibt "Ausschreitungen" und nachfolgende Störung des Unterrichts durch die Tauschaktionen. Grundschülern fehlen noch ausreichende soziale Kompetenzen, um ihre Emotionen , welche das beliebte Tauschspiel auslösen kann, vollständig unter Kontrolle zu halten.

An dieser Stelle wäre erzieherische Kompetenz und autoritatives Führungsverhalten gefragt:
Zusammen mit den Schülern könnten die aufgetretenen Probleme besprochen und dann zusammen "Regeln" für einen friedlichen Tausch aufgestellt werden. Für den Anfang würde man in der Pause eine beaufsichtigte Tauschbörse in einer Tauschecke des Schulhofes einrichten. Schüler, welche sich nicht an die Tauschregeln halten, könnten vorläufig vom Tauschgeschäft ausgeschlossen werden.

Was hätten Schüler aus einer solchen Lösung lernen können?
Das soziale Miteinander wird zunächst durch explizite Regeln erlernt. Diese werden im Laufe des Heranwachsens automatisiert. Sie werden zu "impliziten" Regeln.

Die Schüler hätten an diesem Beispiel lernen können, wie über Regeln und Nachdenken, überschäumende Emotionen kontrolliert werden können. Wenn Tauschregeln feststünden, hätten sie an diesem Beispiel erfahren können, dass Regeln das soziale Miteinander überschaubarer, vorhersagbar und leichter machen können.

FAZIT:
Die Schule hat eine Lernmöglichkeit für soziales Lernen durch ein unsinniges Verbot verstreichen lassen. Gleichzeitig gibt sie auch den Eltern ein Beispiel für erzieherische Hilflosigkeit und Inkompetenz. Eigentlich haben die Lehrkräfte nicht das Recht, sich über die angeblich zunehmende erzieherische Inkompetenz von Eltern zu beklagen, wenn sie selbst in so einfachen Situationen keine sinnvollen Alternativen aufzeigen können - trotz einer vermeintlich "pädagogischen" Ausbildung.

Besonders traurig ist, dass das Motto der Schule "Team" heißt:
Team : Täglich engagiert aktiv miteinander
Die gefundene Lösung ist jedenfalls sehr weit weg davon. Es sei denn mit "Team" sei ein "zusammen" mit den Eltern "gegen" die Kinder gemeint...... und wo hier das engagierte aktive miteinander stattfindet? ...wer weiß?

Weiterführende Links zum Thema:

Phasen der Gruppenentwicklung
Falls es nicht gelingt, Gruppen von der Wichtigkeit erwünschter Ziele zu überzeugen, können entweder spontan oder als Reaktanz-Effekt auf äußere ...
Phasen der Gruppenentwicklung

Latentes, implizites, inzidentelles oder informelles Lernen
Nach F. Hansen (1972) schließlich funktioniert "mere exposure" nur bis zu einem bestimmten Grad der Reizdarbietung, danach setzen Reaktanz-Effekte durch ...
Latentes, implizites, inzidentelles oder informelles Lernen

Anwendung der operanten und instrumentellen Konditionierung
Nach den Prinzipien Modelllernen, Lernen in kleinen Schritten und Verstärkungslernen soll angemessenes Lehrerverhalten systematisch eingeübt werden. ...
Anwendung der operanten und instrumentellen Konditionierung

Montag, 5. Mai 2008

Wie eine Auslese Benachteiligte benachteiligen kann......

Bildquelle Pixelio: (c) Jerzzy
und dennoch eine "Empfehlung" daraus gebastelt wird: In der "Zeit" wird mit der Überschrift "Ihr könnt das auch!" über eine Bostoner Schulinitiative berichtet, welche besonders benachteiligten, begabten Schülern eine Highschool-Karriere ermöglichen soll:

"Wie die Beacon Academy in Boston Schüler aus benachteiligten Familien fit für gute Highschools macht." lautet der Untertitel:

Bitte, ich möchte ein Jahr länger in die Schule gehen«, ist kein gängiges Mantra unter Schülern. Ganz anders aber in Boston: Gute Schüler öffentlicher Schulen in eher schwierigen Bezirken legen nach der achten Klasse ein Extrajahr ein, um fit für wirklich leistungsstarke Oberschulen zu werden. Keine Ehrenrunde also, sondern eine 14-monatige Herausforderung. Die Beacon Academy in Boston wurde vor drei Jahren gegründet von Menschen, die begabten Kindern aus schlechten Vierteln – meist Angehörigen einer Minderheit – die Chance geben wollten, mehr aus ihrem Leben zu machen.
So hoffnungsfroh wie in der anfänglichen Schilderung, geht die Geschichte leider nicht weiter.

Der Hasenfuss:(Zitat weiter aus: Ihr könnt das auch!):
Um überhaupt einen der 20 Plätze der Academy zu ergattern, müssen die 13- und 14-jährigen Schüler eine 16 Seiten lange Bewerbung einschicken, sie brauchen erstklassige Zensuren (selbst wenn die aus drittklassigen Schulen stammen) und Empfehlungen von Lehrern und anderen Erwachsenen. Die Schüler müssen Ehrgeiz mitbringen, sie brauchen mindestens einen Erwachsenen, der sie bei ihrem Bildungsvorhaben vorbehaltlos unterstützt, und sie müssen bereit sein, in den 14 Monaten härter zu arbeiten als je zuvor – damit sie in den leistungsstarken Highschools, in die sie streben, nicht gleich wieder aussortiert werden.
Der Haken an der Geschichte ist also, dass nur solche Schüler gefördert werden, welche bereits durch ausgezeichnete Schulleistungen aufgefallen sind. Ein Tropfen auf den heißen Stein?

Ich meine ja, denn die Benachteiligung beginnt ja sehr viel früher. Oft fehlt die Förderung im Elternhaus, weswegen bereits in der Vorschulzeit Defizite auch bei gut begabten Kindern entstehen. Und in der Grundschulzeit verlieren gerade gut begabte Kinder - aus Langeweile oder wegen unzureichender Förderung - das Interesse und die Freude am schulischen Lernen.

FAZIT: Das Bostoner Modell trifft eine Auslese aus der Gruppe der Benachteiligten und ist daher m. E. nicht unbedingt ein Modell, welches auf unser Bildungswesen übertragen werden sollte. Viel besser wäre, das Augenmerk frühzeitig auf die gesamte Gruppe der benachteiligten Kinder zu richten.

Siehe auch meine Beiträge zu den Themen Intelligenz und Hochbegabung:

Hochbegabung aus neurowissenschaftlicher Sicht:
Hirnforschung und das Konzept der Hochbegabung - Drei Hirnforscher und zwei "Ansichten"

Hochbegabung aus pädagogisch-psychologischer Sicht:
Was ist Hochbegabung? Hochbegabung ist das, was Wissenschaftler definieren....

Meinungen braucht man nicht zu begründen....oder doch?

Bildquelle Pixelio:(c) Winternitz
Mit dem reißerischen Titel "Sitzen geblieben" hat die "Zeit" ein Interview mit Prof. Dr. Manfred Prenzel veröffentlicht:

Zu viele Gymnasien bleiben unter ihren Möglichkeiten. Sie haben sich der veränderten Realität nicht angepasst, sagt der Pädagoge Manfred Prenzel

DIE ZEIT: Das Gymnasium ist hierzulande die beliebteste Schulform. Trotzdem schneiden Gymnasien bei Wettbewerben wie dem Deutschen Schulpreis regelmäßig schwach ab. Woran liegt das?

Manfred Prenzel: Das Leistungsniveau vieler Gymnasien ist sehr hoch, bei Schülerolympiaden oder Jugend forscht kommen die meisten Sieger von Gymnasien. Bei anderen Merkmalen, die eine gute Schule ausmachen, können Gesamt-, Haupt- oder Grundschulen oft mehr vorweisen.

ZEIT: Welche Qualitäten sind das?

Prenzel: Das beginnt mit dem Unterricht, der im Gymnasium häufig noch stark auf den Lehrer zugeschnitten ist. Andere Unterrichtsformen, die stärker die Schüler aktivieren und das selbstständige Lernen anregen, kommen dagegen wenig zum Einsatz. Auch das Schulmanagement, die Zusammenarbeit der Lehrer oder das Schulleben sind an vielen Gymnasien nicht unbedingt preiswürdig.

ausführlich: Sitzen geblieben

Ich frage mich, was ein solches Interview bezwecken soll. Ein schlichter "Bericht" einer Meinung eines Wissenschaftlers, eine ganz persönliche Meinung?
Prof. Dr. Manfred Prenzel ist sicher ein sympathischer Gesprächspartner und seine Meinung liest sich.....hmm....äh.....vielleicht wie ein Plädoyer für die Gesamtschule und die Abschaffung des Gymasiums? Oder vielleicht möchte er darauf hinweisen, dass sich der Unterricht in Gymnasien verbessern sollte?

So ganz genau weiß man das nicht. Er nennt keine Studie, auch nicht die eigenen Studien, keine Belege für seine Annahmen, so dass ich verwirrt zurück bleibe.
Bildquelle Pixelio: (c) schemmi
Ist die Frage nach der Schulform und Schulbildung jetzt eine Frage einer Meinung, oder eine Frage nach den Fakten?

Ich hätte etliche Fragen, welche ich gerne Herrn Prof. Prenzel gestellt hätte:
  • 1. Was versteht man unter "gutem" Unterricht?
  • 2. Worin unterscheidet sich der Unterricht, welcher an Gymnasien und an anderen Schulen gehalten wird?
  • 3. Welche empirischen Belege gibt es dafür?
  • 4. Gibt es den Gymnasiallehrer und die anderen Lehrer, welche sich in ihren Unterrichtsmethoden unterscheiden?
  • 5. Wurden Gymnasiallehrer anders ausgebildet, als andere Lehrer?
  • 6. Welche Gründe führen zu einer vermeintlichen schlechteren Förderung der Schüler auf den Gymnasien?
  • 7. etc. etc.......

Fragen, auf die das Zeit Interview mit Prof. Dr. Prenzel leider die Antworten schuldig bleibt....Ein überflüssiges Interview?

FRAGEN......FRAGEN......FRAGEN......FRAGEN......FRAGEN......FRAGEN......FRAGEN......FRAGEN


Freitag, 2. Mai 2008

Wenn simple Korrelationen zu simplen Schlussfolgerungen führen....

...werden Kleinkinder in Spielgruppen untergebracht, auch wenn keine wissenschaftlich empirischen Belege für den Nutzen einer Kleinkindfremdbetreuung sprechen?

Peter Artmann, Diplom Biologe und Journalist im Gesundheitsbereich (http://www.artscience.de/), Blogger vom Medlog bei den Scienceblogs, hat die Empfehlung des BBC-Senders aufgegriffen und die Frage der Kleinkindunterbringung angesprochen: Kleinkinder in Spielgruppen senken ...
und damit wieder die Frage zum Nutzen und der Notwendigkeit eines Krippenbesuches aufgeworfen.

Wie bereits in den Blogbeiträgen:
besprochen, ist der Nutzen einer Fremdunterbringung bei Betrachtung mehrerer Faktoren - keinesfalls empirisch wissenschaftlich belegt. Meines Erachtens sprechen auch medizinische Gründe nicht für eine frühzeitige Krippenversorgung. Denn die Stärkung des Immunsystems lässt sich z.B. auch über einen Hund als Haustier lösen. (siehe: Ein Hund als Haustier schützt vor Allergien....)

Weiter gibt es noch viele offene Fragen, wie:
  • Welche Ursachenfaktoren führen zu Leukämieerkrankungen?
  • Sind die gefundenen Korrelationen durch Zufall erklärbar?
  • Seit wann existiert die Korrelation zwischen Leukämiefällen und Krippenbesuch?
  • Wie haben sich in der ehemaligen DDR, welche vor der Vereinigung geringe Allergikerzahlen verzeichnen konnte, die Leukämieerkrankungen entwickelt?
  • Wie lässt sich das Immunsystem anderweitig stärken?
  • Gibt es ähnliche Effekte, wenn Kinder mit Geschwisterkindern aufwachsen?
  • Reichen regelmässige Kontakte mit anderen Kindern, welche nicht über einen Krippenbesuch stattfinden?
So kann man an dieser Stelle Eltern nur den Rat geben, sich durch solche BBC-Ad-hoc-Nachrichten nicht unter Druck setzen zu lassen und das Für und Wider bzw. die tägliche Zeitdauer eines Krippenbesuches sorgfältig an ihren und den Interessen ihres Kindes/ihrer Kinder abzuwägen. Denn jedes Kind ist anders, jede familiäre Situation hat andere Erfordernisse und Bedürfnisse, so dass nicht generelle, sondern individuelle Lösungen gesucht werden sollten.

Familien, welche - aufgrund ihrer finanziellen Möglichkeiten - ihren Kindern einen Krippenbesuch gar nicht ermöglichen können, brauchen sich über nachteilige Wirkungen auf ihre Kinder keine Gedanken machen ;-)

Weiterführende Informationen zu bereits in der Vergangenheit aufgestellten irreführenden "Korrelationsbeziehungen" bei anderen Erkrankungen:
Die Autismus-Ente

Masernimpfung, Fernsehen, Internet: Es gibt kaum eine Innovation des 20. Jahrhunderts, die nicht zu Autismus führen soll. Eine neue Studie untermauert jetzt die These, dass die Zunahme des Autismus eine scheinbare ist. Und ein neuer Taschen-PC hilft denen, die wirklich darunter leiden.

Mit medizinischen Statistiken zur Häufigkeit von Erkrankungen ist es immer so eine Sache. Sie werden meist von Organisation erhoben und publiziert, die ein gewisses Interesse daran haben, "ihre" Erkrankungen im Gespräch zu halten - mit der Konsequenz, dass es kaum Erkrankungen zu geben scheint, deren Häufigkeit nicht entweder dramatisch zunimmt oder auf selbstverständlich hohem Level stabil ist.
weiter hier: Autismus-Epidemie und die Suche nach dem Schuldigen

Mittwoch, 30. April 2008

Auch Tiere drücken die Schulbank und werden von den Älteren "instruiert"

Bildquelle Pixelio: (c) guedo
Antje Findeklee- spektrumdirekt v. 30.04.2008
Erdmännchen machen Lehraufwand von eigenen Kosten abhängig
Jüngere in die Schule zu schicken, galt lange als rein menschliche Errungenschaft. Längst aber wissen wir, dass auch andere Spezies dem Nachwuchs gezielt praktische Methoden beibringen. Während bei uns aber der Staat die Kundigen dafür bezahlt, sieht die Kosten-Nutzen-Rechnung in freier Wildbahn anders aus - und dementsprechend auch das Engagement der Lehrenden.

weiter bei spektrumdirekt: Bildung fast zum Nulltarif

Katja Seefeldt - heise-online v. 19.07.2006:
Lernen in der Erdmännchenschule
Erdmännchen zeigen dem Nachwuchs geduldig, wie er mit lebender Nahrung umzugehen hat Erdmännchen sind gesellige Tiere, die in Kolonien leben. Alle Mitglieder beteiligen sich an den sozialen Aufgaben und der Nachwuchsbetreuung, egal, ob verwandt oder nicht. Wie Zoologen in der aktuellen Ausgabe von Science (Vol. 313 vom 14. Juli 2006) herausgefunden haben, betätigen sie sich dabei auch als geduldige Lehrer, die dem Nachwuchs beibringen, wie er auch mit hochgefährlicher Beute umzugehen hat. Ihren "Lehrplan" richten sie dabei am Entwicklungsstand des Schützlings aus.

weiter bei heise-online:
Lernen in der Erdmännchenschule

Wie funktioniert das Lernen am Modell? Ausführliche Informationen dazu bei porträt [werner.stangl]s arbeitsblätter
Lernen am Modell - Albert Bandura
Lernen am Modell - Albert Bandura Neben dem Begriff "Lernen am Modell" oder "Modelllernen" findet man die Bezeichnungen "Nachahmungs-" und "Imitationslernen", "Vorbildlernen", "Beobachtungslernen", "stellvertretendes Lernen" oder "no trial learning". Bandura selbst hielt solche Differenzierungen für unnötig.
weiter hier:
Lernen am Modell - Albert Bandura

Erdmännchen Tierportrait mit schönen Fotos

Kein Sport in der Grundschule, weil es keine Turnhalle gibt.....

Bildquelle Photocase: (c) Bratscher
Die beiden Sportlehrer sind an unserer kleinen Grundschule gleichzeitig auch Klassenlehrer. Klassenlehrer tragen besondere Verantwortung und müssen ihre Aufsichtspflicht in gesetzlichem Umfang erfüllen können. An Sportlehrer werden zusätzliche Anforderungen gestellt, denn sie haben aufgrund der besonderen Raumwechselsituationen (Gang zur Turnhalle mit der Klasse), mögliche Streitigkeiten und Auseinandersetzungen im Vorraum, während sich die Kinder umziehen und dann noch den vielen Verletzungsmöglichkeiten während des Sports, sowie der Gang zurück in das Klassenzimmer, erhöhte Belastungen. Oft müssen aus schulorganisatorischen Gründen noch Klassen für den Sportunterricht zusammen gezogen werden, so dass neben dem Unterricht Sportlehrer besonders gestresst werden.

Klassenlehrer haben dazu die gesteigerte Verantwortung für ihre eigene Klasse. Wenn nun die verantwortliche Kommune nicht rechtzeitig für eine neue Turnhalle sorgt, nachdem die alte geschlossen werden musste, entstehen für eine betroffene Schule besondere Probleme.

Die Gemeindeverwaltung übersieht die o.g. Belastungen und schlägt nun vor, dass die Schüler mit dem Bus in andere Teilorte zum Sportunterricht fahren. Das heißt wie oben schon erwähnt, für die Lehrer ein besonderer Aufwand. Damit noch ausreichend Zeit für den Sport bleibt, muss vorzeitig der Fachunterricht beendet werden, die Schüler alle zeitgenau versammelt und in den Bus "verfrachtet" werden. Um die Rückfahrt rechtzeitig antreten zu können, muss der Sportunterricht wiederum verfrüht beendet werden.

Das alles bedeutet für die Lehrkräfte zusätzlichen Stress und keine Möglichkeit einer kurzen "Erholungspause" während des Unterrichtstages.....
Wie die Kommune und Schule dieses Problem lösen wird, ist im Moment nicht bekannt....

Mindestens bis zum Februar 2009 wird dieser Zustand anhalten...........

Und wieder stellt sich die Frage, warum so wenig für die Schule und Schüler getan wird. Knappe Lehrerbesetzungen, große Schülerzahlen, zu dicke Kinder, der Schrei nach verstärktem Sportunterricht und dann scheitert es an einer Turnhalle.......

Quelle: Haller Kreisblatt, Lokales Halle, Thema (30.04.2008): "Planung für neue Turnhallen vergeben - Gestern hitzige Debatte im Schulausschuss"

Unselbständige "selbständige" Schulen - wie Schulerlasse pädagogisches Handeln verhindern (NRW)

Bildquelle Pixelio: (c) Gerd Altmann
Was passiert, wenn das Schulamt feststellt, dass nach Einstellung eines Seiteneinsteigers für ein halbes Schuljahr eine Schule einen "Lehrerüberhang" hat?
  • 1. Das Schulamt versucht die neu eingestellt Kraft widerrechtlich zu zwingen, für ein halbes Jahr zunächst an einer anderen Schule zu unterrichten.
Was passiert, wenn diese Lehrkraft gemäß geltendem Recht dieses Ansinnen ablehnt? Ja, richtig, Sie wird vom Schulamtsdirektor massiv unter Druck gesetzt und bei jeder nächsten, sich bietenden Möglichkeit wird dieser Lehrkraft von Seiten des Schulamtes das Leben schwer gemacht - unabhängig davon, ob sie gut oder schlecht ist...
In diesem Falle hat die angehende Lehrkraft mutig das Ansinnen des Schulamtsdirektors abgelehnt.... Also
  • 2. Das Schulamt macht einen "Deal" mit einer Lehrkraft mitten im Schuljahr (Klassenlehrer einer 6. Hauptschulklasse), welche aus privaten Gründen in ein anderes Bundesland ziehen möchte und versetzt diese für ein halbes Jahr mitten im Schuljahr ! an eine andere Schule. Danach darf diese Lehrkraft in den Schuldienst des anderen Bundeslandes wechseln.
Die Folge:
Eine 6. Klasse steht von heute auf morgen ohne Klassenlehrer da, welcher dort den Hauptteil des Unterrichts bestritten hat! Fachunterricht in Physik entfällt für einige Klassen, ebenfalls der Hauswirtschaftsunterricht. Denn die neue Lehrkraft arbeitet mit verringerter Stundenzahl.....
Die 6. Klasse reagiert sehr emotional und lehnt zunächst die neue Lehrkraft, welche für die Fehlplanung des Schulamtes ja gar nichts kann, zunächst ab.
Es treten die üblichen Umstellungsschwierigkeiten auf. Der neuen Lehrkraft wird von vornherein umfangreicher fachfremder Unterricht zugemutet, eine Maßnahme, welche die Unterrichtsqualität nicht verbessert ;-) Bildquelle Pixelio: (c) Regina Kaute

Hier wurde zu Lasten der Schüler und der Schule, sowie der Unterrichtsqualität gehandelt und gespart. Das war vor 6 Jahren. Damals "gestaltete" eine SPD regierte Landesregierung die Bildungspolitik.

Der CDU-Wahlkampf war dementsprechend gespickt mit Vorwürfen gegen die SPD-Schulpolitik:
  • zu große Klassen
  • zu wenige Lehrer
  • zu wenig Unterrichtsqualität
  • zu wenig Förderunterricht
  • zu wenig Förderung für Migrationskinder
  • etc. etc.
Die CDU trat mit dem Versprechen an, das alles ändern zu wollen und die Menschen im NRW-Lande gaben den Politikern Recht - sie wurden gewählt und es gab

  • zu große Klassen
  • zu wenige Lehrer
  • zu wenig Unterrichtsqualität
  • zu wenig Förderunterricht
  • zu wenig Förderung für Migrationskinder
  • etc. etc.
Liebe Leser, das ist die Realität und keine erfundene Geschichte!
Und wie sieht es heute aus? Unverändert, nur mit anderem politischen Vorzeichen! Heute tituliert unsere Tageszeitung "Haller Kreisblatt" im Lokalteil von Werther:
  • Ein Schüler ist das Zünglein an der Waage
Im ostwestfälischen Werther werden 31 Schüler eingeschult. Es gibt eine Klasse mit 15 Schüler und eine mit 16 Schüler, bei gleichbleibender Lehrerzahl. Das bedeutet: auch wenn die Schule für diese Lösung eine Lehrkraft mehr benötigt, wird diese von der Landesregierung nicht zur Verfügung gestellt!

Das heißt der "neue Schulerlass (04/2008!)", wonach zwei Klassen gebildet werden dürfen, wenn die Schülerzahl in den ersten beiden Klassen die Zahl 30 überschreitet, steht quasi nur auf dem Papier. Denn angesichts fehlender Lehrkräfte lässt sich das nur schwer umsetzen. Die Lehrerzahl richtet sich nicht - wie es sein müsste - nach dem vorhandenen Stundenbedarf, welcher natürlich doppelt so hoch ist, wenn aus einer Klasse zwei gebildet werden.....

Die Eltern wünschen sich verständlicherweise zwei Klassen und die Schule weiß kaum, wie sie dieses Problem lösen kann. Denn, sobald ein Schüler aus irgendwelchen Gründen die Schule verlässt, ist die Schulleitung gezwungen aus diesen zwei Klassen sofort wieder eine Klasse mit 30 Schülern bilden zu müssen.

Was machen wir uns Gedanken, wenn einerseits viel Geld - von der NRW-Landesregierung - für teure Lehr-und Lernforschung etc. ausgegeben wird....
und dann nicht einmal pädagogische Mindeststandards umgesetzt werden können, weil die Klassen zu groß, die Lehrer überlastet sind und den Schulen per Erlass keine "pädagogischen" Handlungsmöglichkeiten erlaubt werden.....

Wozu brauchen Lehramtsstudierende "pädagogisches" Wissen, wenn sie dieses in ihrem Unterrichtsalltag gar nicht umsetzen können?
Man muss sich fragen, wieviel Investitionen ist uns unsere Zukunft wert?
Wozu werden teure und aufwendige Evaluationen und Studien gemacht, gemessen, was das Zeug hält, wenn die Unterrichtsbedingungen sich immer weiter verschlechtern?

Liebe Lehrer, Sie baden diese Politik aus...., Ihnen macht man Vorwürfe........, wenn unter solchen Umständen Ihr Unterricht nicht erfolgreich ist. Klären Sie die Bevölkerung über diese "unvernünftige" Politik auf, damit die BürgerInnen wissen, wer dieses Bildungschaos verantwortet....

Samstag, 26. April 2008

Element-Studie wird zum Politikum - Wie eine Studie Sachverhalte "belegt", welche sie nicht untersucht hat...

Bildquelle Pixelio: (c) Rainer Sturm
Was ist passiert? Herr Prof. Dr.Dr.Dr.h.c. Rainer Lehmann hat der "Zeit" ein Interview zu seiner Element-Studie gegeben. In dieser Studie werden die Schulleistungen zwischen "Grundschülern" und Gymnasiasten der 5. und 6. Klasse verglichen. Gemessen wurde mit den Tests der PISA-Studien in den Fächern Deutsch und Mathematik.

Die unterschiedlichen Interpretationen der Studie haben eine heftige Debatte ausgelöst:

Angefangen hat die Debatte mit der Darstellung des Studienautors Prof. Dr.Dr.Dr.h.c. Rainer Lehmann (Kurzbiographie)
DIE ZEIT 17/2008: Gemeinsam lernen Headlines:
Zwei Jahre hinterher
Die sechsjährige Grundschule in Berlin schneidet in einer neuen Studie enttäuschend ab. Ein Gespräch über die Ursachen mit dem Bildungsforscher Rainer Lehmann
Kurz darauf wurde der von Gegnern vorgeworfene "Interpretationsfehler" in einem neuen Beitrag in der " Zeit" geschildert, nachdem Prof. Dr. Olaf Köhler (Fachrichtung Psychologie und in der empirischen Bildungsforschung tätig) die Studie gelesen hat. Die "Zeit" berichtet in "Unglücksfall und Chance" darüber: (Zitat)
Aber der von Olaf Köller und anderen beklagte Unglücksfall könnte auch zu etwas gut sein. Die Öffentlichkeit und die Zunft müssen endlich kapieren, dass solche Studien, wie Jürgen Baumert, Direktor am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung und Doyen der empirischen Bildungsforschung immer wieder betont, nicht einfach etwas beweisen, sondern die Daten für begründete Interpretationen liefern. (Zitat Ende)
Weitere Internetquellen zum Thema:
Artikel, welche die Interpretation von Prof. Lehmann nicht teilen

Stellungnahme von Thomas Kerstan, Martin Spiewak und Jan-Martin Wiarda in DIE ZEIT, 24.04.2008 Nr. 18 Verwirrende Befunde - Aufregung um die Untersuchung zur sechsjährigen Grundschule in Berlin: Hat der Autor der Studie seine eigenen Daten falsch interpretiert?

Artikel, welche die Interpretation von Prof. Lehmann teilen:
Der deutsche Philologenverband und "Die Welt", schließt sich der Interpretation von Prof. Dr.Dr.Dr.H.c. Rainer Lehmann an:

Soviel zum augenblicklichen Stand der Diskussion in den Medien.......


Die Instrumentalisierung der Studie - Hintergründe
Zunächst zeigt sich an den Medienberichten, wie eine solche Studie "instrumentalisiert" wird bzw. werden kann. Kaum jemand scheint sich die Mühe zu machen, die Studie selbst zu lesen. Und kaum jemand scheint sich darum zu kümmern, wie die Studie aufgebaut war, um daraus eigene Schlüsse ziehen zu können. Und so dient eine Studie, je nachdem aus welcher bildungspolitischen Richtung die Anhänger stammen, völlig gegensätzlichen Interpretationen. ....

Was hat die Studie gemessen?
Die kleinere Schülergruppe, welche gemessen wurde, war ab der 5. Klasse in Berliner Gymnasien gewechselt. Es versteht sich von selbst, dass diese Schüler eine entsprechende Eignung (Schulleistungen / Intelligenz) besitzen mussten, um überhaupt das Gymnasium besuchen zu können.

Die größere Schülergruppe, welche gemessen wurde, waren Schüler (bis auf jene, welche vorzeitig ins Gymnasium gewechselt waren), welche auch im 5. und 6. Schuljahr in der Grundschule verblieben waren.

Die Korrelationsstudie hat die Leistungen im Bereich Leseverständnis und Mathematik der beiden Schülergruppen jeweils nach dem 5. und 6. Schuljahr miteinander verglichen.

Normalerweise würde man also erwarten, dass jene Schüler, welche für den Besuch des Gymnasiums "ausgelesen" worden waren, in einer solchen Studie deutlich besser abschneiden müssten, als jene Schülergruppen, welche sich aus den ganz schlechten, den normal begabten Schülern und besser begabten Schülern zusammen setzt.

Richtig gedacht, denn so war es auch. Beide Gruppen haben sich im "Verhältnis" gleich gut weiter entwickelt. Natürlich haben die Grundschulklassen im Schnitt durchgehend schlechter abgeschnitten. Allerdings waren die Lernfortschritte in beiden Gruppen gleich.

Und nun kommt die ideologisch gefärbte Bildungspolitik ins Spiel:

Der Philologenverband sieht die Existenzberechtigung der Gymnasien gefährdet. Deshalb favorisieren sie die Interpretation von Prof. Dr. Dr. Dr.h.c. Lehmann.....
Sie sind der Meinung, dass die Fachlehrer des Gymnasiums begabte Kinder besser fördern könnten, als Grundschullehrer, welche in der Regel alle Fächer unterrichten (oft ohne spezielles Fachstudium in ihrer Lehrerausbildung)

Die Anhänger eines Gesamtschulsystems sehen durch die Studie ihre Position gestärkt und wie man nachlesen kann, soll nun allmählich ein Gesamtschulsystem in Berlin eingeführt werden.

Was hat diese Studie inhaltlich geklärt und welche Fragen sind offen geblieben?
Eigentlich hat diese Studie nur bestätigt, dass Gesamtschüler in gleichem Maße gefördert wurden wie die "begabten" Gymnasialschüler. Nicht mehr und nicht weniger.

Offen bleibt die Frage, ob die "begabten" Gymnasialschüler in einer Gesamtschule dieselbe Förderung erfahren hätten, wie im Gymnasium. Diesen Punkt hat die Studie nämlich gar nicht untersucht. Und so hat diese Studie nur eines gebracht:
Eine vermeintliche Bestätigung dafür, dass die Gesamtschulidee Schülern weder schadet noch nützt...
Das entspricht auch den Ergebnissen aus der Studie von Prof. Dr. Fend: Studie von Prof. Dr. Fend belegt, dass der Schulerfolg von der Schulform unabhängig ist

In der Psychologie würde man das Ergebnis dieser Studie als Selffullfilling-Prophecy bezeichnen.....

Diese Angelegenheit ist ein Paradebeispiel dafür, wie Studien "benutzt" werden und Ergebnisse so interpretiert werden, wie sie "politisch" gerade in den Kram passen.

Die eigentlichen Probleme stecken vielmehr im Detail und werden durch eine solche Studie nicht erfasst.
Gleichzeitig zeigt dieser Fall, wie "anfällig" Interpretationen wissenschaftlicher Studien sind, wenn es um übergeordnete, staatliche und politische
Interessensverfolgungen geht.
Weitere Beispiele aus den USA hat kürzlich Lars Fischer in seinem Blog "Abgefischt" bei Wissenslogs.de beschrieben: Wie gut wir's doch haben.

Gleich
Link:
Schulleistungsuntersuchungen